Vater- und Mentorfiguren bei Robert Walser. Dialog, Mimikry und Subversion - Université de Lorraine Accéder directement au contenu
Article Dans Une Revue Etudes Germaniques Année : 2017

Vater- und Mentorfiguren bei Robert Walser. Dialog, Mimikry und Subversion

Résumé

Wer vom Dialogischen in Robert Walsers Werk sprechen will, widmet sich einem heiklen Thema. Ist es nicht eher der Monolog, der für Walsers Schreiben-und für das Reden der Walserschen Protagonisten-charakteristisch ist? Der wuchtige Wortschwall des jungen Simon Tanner, der sich von den anderen nichts sagen lässt und viel eher Lektionen erteilt als entgegennimmt, frappiert den Leser etwa zu Beginn der Geschwister Tanner. Und dieser Wortschwall richtet sich eben an ältere Männer, die es Simon Tanner erlauben könnten, den Fuß ins Berufsleben zu setzen. Er richtet sich insofern an potentielle Vaterfiguren, wenn man davon ausgeht, dass der Vater herkömmlicherweise als derjenige verstanden wird, der den Sohn ins Leben führt und ihm als Vorbild dient. Damit stellt sich die Frage nach den Modalitäten einer « Nachfolge », einer Mimesis väterlichen Handelns und/oder einer eventuellen Distanznahme. An Simon Tanner ist zu sehen, dass es mit einer solchen Nachfolge nicht weit her ist-ja, dass es letztlich nicht einmal zu einem Dialog kommt, der ein entsprechendes Verhalten einleiten könnte. In seinem Aufsatz « Wie weise ist Robert Walsers Weisheit » thematisiert Peter von Matt die Beziehung der Walserschen Protagonisten zu ihren « Mentoren », wie er sie nennt: « Was aber tut der Walserjüngling? Er nimmt dem Mentor auf der Stelle das Wort aus dem Mund und hält die Mentorrede selbst, als Gegenrede, rhetorisch so hochgemut wie das Vorbild und gleichermaßen gespickt mit Weisheiten und Lebenslehren. » 1 Das Vorbildhafte der Vaterfiguren wird konterkariert, in Geschwister Tanner durch (wohlgemerkt: rhetorische) Imitation, ja sogar Überbieten: man kann es selbst und weiß es besser. Dahinter steckt eine tiefe Verunsicherung und ein Aufbäumen gegen diese Verunsicherung; das erfahren wir in Jakob von Gunten, wo sich die Selbstsicherheit in ihr Gegenbild verkehrt (oder zu verkehren scheint): Jakob hat sein Vaterhaus verlassen, weil er « gefürchtet hätte, von seiner [das heißt seines Vaters, K.H.] Vortrefflichkeit erstickt zu werden » 2. Während traditionelle Vater-und Mentorenfiguren zurückgewiesen werden, weckt eine andere Person Jakobs Interesse: Benjamenta, der Direktor einer Dienerschule, in die er eintritt. In ihm findet Jakob einen unbürgerlichen Anti-Mentor, der Jakob das Klein-bzw. Nichts-Sein nahebringt-als Abwehrreaktion gegen die Anforderungen der bürgerlichen Gesellschaft. Indem Benjamenta als unbürgerliche Vaterfigur gezeichnet ist, entspricht er in seiner Natur dem Bild des Vaters, wie Walser es in tendenziell autobiographischen Texten vermittelt-Texten, denen sich Peter von Matt in einem anderen Artikel widmet, nämlich in
The relation of numerous Walserian protagonists to their fathers or, more generally speaking, to attachment figures of (potentially) fatherly stature displays a multilayered ambiguity. While most of the sons reject the mimesis, i.e. a social integration copied on their fathers’, some « subversive fathers » appear as their sons’ models and dialogue partners but, as shall be shown (especially through an analysis of Jakob von Gunten), become in their turn victims of a subversive dissociation on the part of the sons.
La relation de maints protagonistes walsériens avec leur père ou, plus généralement, avec des personnages susceptibles de constituer des figures paternelles se caractérise par une ambiguïté à plusieurs niveaux. Tandis que les fils, pour la plupart, refusent la mimesis, c’est-à-dire le choix d’une intégration sociale calquée sur celle du père, certains « pères subversifs » apparaissent comme des modèles et des interlocuteurs pour les fils, mais ils deviennent à leur tour victimes d’une mise à distance subversive de la part de ceux-ci. C’est ce que nous nous emploierons à montrer en nous appuyant essentiellement sur Jakob von Gunten.

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Citer

Konrad Harrer. Vater- und Mentorfiguren bei Robert Walser. Dialog, Mimikry und Subversion. Etudes Germaniques, 2017, Robert Walser. Dialogues, 285 (1), pp.21-38. ⟨10.3917/eger.285.0021⟩. ⟨hal-02559728⟩
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